AktuellesDas „Die White Power”-Handzeichen

Warum ist das Handzeichen bei jungen Rechtsextremen so beliebt?

Daumen und Zeigefinger formen einen Kreis, die übrigen drei Finger sind ausgestreckt: Was viele als Geste für „Alles okay“ oder „Ich bin okay“ kennen, taucht seit einiger Zeit vermehrt auf Demonstrationen und in Kommentarspalten im rechtsextremen Spektrum auf. In diesem Kontext hat die Handgeste jedoch eine andere Bedeutung.

Unter Rechtsextremen wird sie als Symbol für „White Power“ verwendet – eine Ideologie, die die Vorherrschaft weißer Menschen propagiert. Das Handzeichen wird so umgedeutet, dass die abgespreizten Finger ein „W” und der Kreis zwischen Daumen und Zeigefinger ein „P” darstellen sollen. Das ursprünglich mit dieser Bewegung assoziierte Symbol ist die sogenannte „White Power”-Faust gedacht als rassistisches Gegenstück zur Black-Power-Faust der afroamerikanischen Bürgerrechtsbewegung. Die „White Power“-Bewegung ist sowohl rassistisch als auch antisemitisch: Jüdische Menschen gelten dort als zentrale Feindbilder und angebliche Drahtzieher gesellschaftlicher Veränderungen – etwa im Zusammenhang mit Migration –, die als Bedrohung für die „weiße Rasse“ wahrgenommen werden.

Die Umdeutung des OK-Handzeichens geht auf Posts auf dem Imageboard 4chan zurück. Im berüchtigten „/pol/-Forum“ – „pol“ steht hier für „politically incorrect“ – wurde im Februar 2017 eine gezielte Kampagne gestartet. Ziel war es, politische Gegner*innen davon zu überzeugen, dass das Handzeichen bereits weit verbreitet als Symbol weißer Überlegenheit verstanden werde – ein kalkulierter Versuch, mediale Aufmerksamkeit zu erlangen und gleichzeitig Verwirrung zu stiften.

Der Beitrag, überschrieben mit „Operation O-KKK“ in Anspielung auf den Ku-Klux-Klan, enthielt auch einen Aufruf zur Erstellung gefälschter Social-Media-Profile, um diese Erzählung zu verbreiten. Die Aktion war explizit misogyn und antifeministisch konzipiert: Die Fake-Profile sollten bevorzugt mit stereotyp „weißen Mädchennamen“ versehen sein. Als besonders wirkungsvoll galt es, wenn diese Accounts zusätzlich feministische Inhalte enthielten. Ziel war es, politische Gegnerinnen zu täuschen – und sich anschließend darüber lustig zu machen, wenn Medien, Aktivistinnen oder Politiker*innen die Behauptung aufgriffen, das Handzeichen sei tatsächlich ein rechtsextremes Symbol.

Diese Strategie ist nicht neu: Das sogenannte „owning the libs“ – also das Bloßstellen und Verächtlichmachen von Aktivist*innen, Feminist*innen, Journalist*innen und anderen politischen Gegner*innen – ist ein zentrales Element in der Kommunikation rechtsextremer Trolle und Influencer*innen.

Seit 2017 hat sich das Handzeichen – ebenso wie das dazugehörige Emoji – schrittweise im rechtsextremen Milieu etabliert. Die ursprünglich als Täuschung gedachte Umdeutung ist mittlerweile Realität. Heute dient das Zeichen zugleich als Erkennungsmerkmal, Provokation und „Insiderwitz“.

Die Geste wurde in den vergangenen Jahren unter anderem von Aktivisten der Identitären Bewegung sowie von Brenton T., dem Rechtsterroristen, der 2019 im neuseeländischen Christchurch aus islamfeindlichen Motiven 51 Menschen ermordete, verwendet.

Im vergangenen Jahr war die Geste vor allem bei sehr jungen Neonazis auf Demonstrationen in Deutschland zu beobachten. Besonders seit den queerfeindlichen Aktionen gegen CSD-Veranstaltungen im Sommer 2024 wird das Handzeichen vermehrt gezeigt. Seither ist die Geste bei nahezu jeder rechtsextremen Kundgebung präsent und spielt auch online eine große Rolle.

Ein Fall, der für Aufsehen sorgte, ereignete sich im März 2025. Schüler einer neunten Klasse aus Görlitz posierten mit dem Handzeichen vor der Gedenkstätte in Auschwitz und posteten es auf Instagram.

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