Monitoring: „Our answer is escalation“ – Die Sumud-Flotilla als Teil einer globalen Bewegung gegen Israel

Mit der „Global Sumud Flotilla“ versuchen Aktivist*innen derzeit, die Seeblockade der israelischen Armee vor Gaza zu durchbrechen. Die vorgebliche Hilfsaktion unterstützt den Terrorismus, instrumentalisiert die humanitäre Lage in Gaza und dient der Diskreditierung Israels.
Der irische Aktivist Tadhg Hickey sagt, möglicherweise werde Israel in den nächsten Stunden einen „Massenmord“ begehen. Viele Mitreisende könnten sterben.
Die frühere Russia-Today-Mitarbeiterin Iara Modarelli hat in den sozialen Netzwerken ein Foto veröffentlicht, das sie an Bord eines Schiffes zeigt. An einer Wand prangt das Zitat des palästinensischen Dichters Refaat Alareer: „Wenn ich sterben muss, musst Du leben, um meine Geschichte zu erzählen.“
Mit einer Flottille aus mehr als 40 Schiffen versuchen Aktivist*innen derzeit, die Seeblockade der israelischen Armee vor Gaza zu durchbrechen. Nach eigener Aussage geht es ihnen um die Versorgung der notleidenden Zivilbevölkerung. Ihre aufsehenerregende Fahrt dauert inzwischen fast einen Monat. Nun hat die letzte Etappe begonnen: Die Schiffe nähern sich der Küste. Seit Dienstag fahren die meisten dicht beieinander. Seit Mittwoch befinden sie sich jenseits der Marke, an der die letzte Flottille vom israelischen Militär abgefangen wurde. Die Teilnehmer*innen rechnen jetzt jederzeit mit einem Angriff.
Er ist auch fest eingepreist.
Dass ihre Schiffe den Strand von Gaza nicht erreichen werden, ist den Verantwortlichen der „Global Sumud Flotilla“ bewusst. Die Flottille ist kein humanitäres Hilfsprojekt zur Unterstützung der notleidenden Bevölkerung in Gaza. Sie ist eine Bühne, auf der Protest in Militanz kippen kann.
Die Organisator*innen sprechen von bis zu 500 Personen an Bord der Schiffe. Wie viele Menschen auf welchem Boot tatsächlich unterwegs sind, wird bewusst verschleiert. Erstens agiert nur ein geringer Teil der Aktivist*innen öffentlich. Zweitens wechseln zwischendurch immer wieder Personen die Boote, manche verlassen die Flottille komplett.
Zur Gruppe der mindestens 13 Deutschen an Bord gehört die Aktivistin Kübra Cinar. In einem Video verspricht sie ihren Anhänger*innen: „Sollten unsere Schiffe gewaltsam gestoppt oder abgefangen werden, wird das nicht das Ende unserer Bemühungen sein.“ Man werde so lange weitermachen, bis Gaza frei sei.
Die Berliner Aktivistin Yasemin Acar gehört gemeinsam mit ihrem brasilianischen Vertrauten Thiago Ávila zum Führungskreis der Flotilla. Ávila nahm, wie auch zwei weitere Teilnehmer der Sumud-Flotilla, der irische Komiker Tadhg Hickey und der Südafrikaner Manda Mandela, am Begräbnis des Hisbollah-Führers Nasrallah im Februar 2025 teil. Hickey berichtete später auf Social Media, er habe auch mit Vertretern der Huthi-Milizen gesprochen.
Auch die israelfeindliche Aktivistin Louna Sbou, ehemalige Geschäftsführerin des mittlerweile geschlossenen Berliner Kulturzentrums Oyoun, reist mit.
Die Berliner Young-Struggle-Frontfrau Sofia J., ursprünglich aus Duisburg, gab im Hafen von Tunis ein Interview, in dem sie versprach, sich an der Flottille zu beteiligen. Danach: keine Spur. Auch Sherif Zaki kündigte an, mitzusegeln – doch Fotos oder Videos, die seine Teilnahme belegen, fehlen.
Sicher ist, dass es Streit gab im Führungskreis der Flotille, auch über die Anwesenheit queerer Aktivist*innen an Bord. Weshalb sich Greta Thunberg als Gesicht der Mission zurückzog oder zurückziehen musste, ist noch unklar.
Ursprünglich galt die „Family“ als Flaggschiff, doch sie erlitt vor Kreta einen Motorschaden. Die Besatzung verteilte sich auf andere Schiffe. Greta Thunberg befindet sich nun an Bord der „Alma“, jenes Boots, das nach Angaben der Aktivist*innen bereits Ziel einer israelischen Drohnenattacke geworden sein soll. Dort reisen auch Yasemin Acar und Thiago Ávila sowie ein Journalist von Al Jazeera mit.
Zu Beginn gaben auch Personen mit direkten Verbindungen zu den rechtsextremen Grauen Wölfen über Social-Media-Kanäle bekannt, in das Projekt eingebunden zu sein. Sie zogen sich jedoch zurück, nachdem die Leitung der Flottille klarstellte, dass man gezielt Europa stärker in die Verantwortung nehmen wolle – und dafür mehrheitlich europäische Teilnehmer*innen benötige. In Postings verabschiedeten sich die türkischen Nationalisten mit der Begründung, aus strategischen Gründen auszuscheiden. Für die Organisator*innen war entscheidend, dass weiße Europäer*innen an Bord sind: Sollte Israel gegen die Flottille vorgehen, hätte es für europäische Regierungen eine ganz andere Sprengkraft, wenn eigene Staatsangehörige betroffen sind. Das Skandalisierungspotenzial steigt dadurch erheblich.
Weshalb startete die Flottille nicht in Griechenland, dem logischen Sprungbrett nach Gaza, sondern in Spanien? Womöglich, um die Route möglichst lang zu ziehen – und die Aktion medienwirksam zu inszenieren. Jede Etappe wurde zur Bühne. In jedem Hafen, in dem die Flottille Station machte, organisierten die Unterstützer*innen große Kundgebungen. So entstand nicht nur eine maritime Aktion, sondern eine transnationale Protestbewegung. Sollte Israel die Schiffe abfangen, wären in jedem Land entlang der Route bereits Solidaritätsgruppen mobilisiert.
Seit nunmehr 15 Jahren versuchen Aktivist*innen, die israelische Seeblockade zu durchbrechen. Die aktuelle Mission trägt den Namen „Global Sumud Flotilla“. Sumud ist Arabisch und bedeutet „Standhaftigkeit“ oder „Beharrlichkeit“. In früheren Ankündigungen hieß das Projekt noch „Handala“ – ein direkter Bezug auf die Ikone der palästinensischen BDS-Bewegung, ein gezeichneter Junge, Symbol des ewigen Widerstands.
Tatsächlich scheint die gesamte Unternehmung auf die Produktion von Social-Media-Content ausgerichtet zu sein. Viele Aktivist*innen bringen eine hohe Online-Reichweite mit, da sie Influencer*innen, Künstler*innen oder TV-Prominente sind.
Gesichert ist auch, dass sich Islamisten an Bord mehrerer Schiffe befinden. Manche von ihnen kommen aus den Maghreb-Staaten, andere aus Indonesien.
Anders als bei früheren Versuchen in diesem Jahr werden dieses Mal Bezüge zum Islam deutlicher. Teilnehmer*innen posten am 28. September, dass man nun kurz vor der gelben Zone sei: „Noch ein bisschen, bevor wir Geschichte schreiben. Mit Deiner Erlaubnis, O Allah“. Eine Teilnehmerin aus Algerien sagt, die Schiffe näherten sich der Herrlichkeit Gottes und stünden unter der Fürsorge Allahs. Der Kapitän der „Zefiro“ wird in einer italienischen Regionalzeitung damit zitiert, er gehe davon aus, dass es Schwerverletzte und möglicherweise auch Tote geben wird. Natürlich stellt sich die Frage, ob hier die Vorboten eines Märtyrertums liegen. Eine Aktivistin formulierte es über eine andere Aktivistin so: „Sie wird immer für Gaza stehen, egal was Israel mit ihr macht.“
Nach ihren eigenen Maßstäben kann die Flottille nur erfolgreich sein, wenn die Reise in einer Konfrontation endet und dabei Videomaterial entsteht, das sich zur Illustration der Grausamkeit Israels benutzen lässt. Auf dem Instagram-Account der Flotte heißt es: „Our answer is escalation. Touch one, touch all.“
Einige Teilnehmer sind überzeugt, die letzte Hoffnung für die hungernde Bevölkerung in Gaza zu sein, weil das Durchbrechen der Seeblockade den Weg für weitere Hilfslieferungen freimachen würde.
Das Projekt war auch mit Problemen konfrontiert. Das Leitschiff „Family“ blieb komplett liegen, angekündigte Passagiere wie die BASF-Erbin Marlene Engelhorn zogen sich mit irritierenden Erklärungen zurück, nachdem sie sich wochenlang als zentrale Figuren dargestellt hatten.
Diese Woche ist eine zweite Welle von Booten gestartet. Es handelt sich um einen Verbund, der als zusätzliche Flottille unter dem Namen „Thousand Madleens“ von Marseille aus in See gestochen ist. Jedes einzelne dieser offiziell acht Segelschiffe und Jachten trägt einen Kampfnamen. Ein Segelschiff ist nach der palästinensischen PFLP-Terroristin und Flugzeugentführerin Leila Khaled benannt. Die Transparente, Fahnen und Schriftzüge auf den Segeln der acht Schiffe deuten darauf hin, dass man sich als Teil einer neuen Intifada versteht.
Aus dem Umfeld der PFLP beteiligte sich die Aktivistin Jaldia Abubakra, die für die Gruppierungen Samidoun und Masar Badil aktiv ist. Sie verließ die Schiffe laut eigener Aussage Ende September, um die anderen Teilnehmenden zu schützen, nachdem Kritik an ihrer Verbindung zur PFLP öffentlich geäußert worden war.
An Bord dieser zweiten Welle sind die Abgeordneten Alma Dufour und Farida Amrani von France Insoumise, die Europaabgeordnete Mélissa Camara von Les Ècologistes, die dänische Abgeordnete Viktoria Velasquez von der Einheitsliste und die spanische Abgeordnete Jimena Gonzalez von Más Madrid. Dazu Journalist*innen, Künstler*innen und Aktivist*innen aus antiimperialistischen Gruppen. Fotos auf Social Media legen nahe, dass auch von der französischen Organisation Frontflict, die den getöteten Hamas-Chef Yahya Sinwar verehrt und eine Koexistenz Palästinas mit Israel ablehnt, Vertreter*innen an Bord sind.
Die Schiffe der „Thousand Madleens“ haben einen Rückstand von etwa drei bis vier Tagen auf die der „Global Sumud Flotilla“. Seit dem 1. Oktober ist auch noch das größere Passagierschiff „Conscience“ mit etwa 100 Aktivist*innen an Bord von Otranto in Süditalien unterwegs, um sich „Thousand Madleens“ anzuschließen.
Ob einzelne Akteur*innen tatsächlich bewusst einen Vorfall provozieren wollen, bleibt trotz aller Indizien ungewiss. Mittlerweile machen sich mehrere europäische Regierungen Sorgen um die möglichen direkten Auswirkungen einer gewaltsamen Beendigung der Reise durch israelische Streitkräfte. Befürchtet wird etwa, eine solches Vorgehen könne in den Metropolen zur Initialzündung für massive Aktionen aus der Unterstützerszene geraten. Diese könnte sogar ausgelöst werden, ohne dass es überhaupt zu Verletzten an Bord kommt.
Wahrscheinlich ist, dass Israel die Schiffe in den Hafen von Ashkelon schleppt, die Akteur*innen inhaftiert und später nach Hause schickt. So verfuhr man mit den ersten Konvois 2025. Doch schon dies könnte angesichts der Gruppengröße enorme symbolische Wirkung entfalten. Am Ende könnte schon ein einzelner prominenter Inhaftierter zur Ikone werden. Seine Festnahme könnte ein Bild werden, das weltweit Bewegungen prägen könnte. In der Szene der radikalen Israelfeinde hofft man auf einen „Vietnam-Moment“.
Das Gedicht „If I Must Die“, das die Teilnehmerin Iara Modarelli auf Instagram verbreitet, ist im Kosmos der Flotilla-Unterstützerschaft enorm populär. Sein Urheber, der palästinensische Dichter Refaat Alareer, kam Ende 2023 bei einem israelischen Luftangriff im Norden des Gazastreifens ums Leben. Das Gedicht endet mit den Worten: „Wenn ich sterben muss, lass es Hoffnung bringen, lass es eine Erzählung sein.“
Egal, wie die Mission der „Gaza-Freedom-Flottille“ ausgeht – sei es durch eine israelische Blockade, das Abfangen der Boote oder ein anderes Szenario: Ein wesentlicher Teil der geplanten Propaganda hat bereits Wirkung entfaltet. Dies zeigt sich nicht nur in der unkritischen Solidarität prominenter Aktivist*innen wie zum Beispiel der Umweltaktivistin Luisa Neubauer, die den Einsatz angesichts des Krieges als Notwendigkeit bezeichnet, sondern auch in der einseitigen Berichterstattung von öffentlich-rechtlichen Medien. Diese stellen die Aktion als unproblematische Hilfsmaßnahme dar und ignorieren die zugrunde liegenden politischen Motive.
Tatsächlich handelt es sich bei der von der Freedom Flotilla Coalition organisierten Initiative um eine hochinszenierte Aktion. Sie unterstützt den Terrorismus, instrumentalisiert die humanitäre Lage in Gaza und dient der Diskreditierung Israels. Seit 2008 versuchen ähnliche Missionen wiederholt, die israelische Seeblockade zu durchbrechen, um explizit politische Aufmerksamkeit für die Positionen der Hamas zu generieren.
In der Nacht vom 1. auf den 2. Oktober 2025 stoppte die israelische Marine die Schiffe und Boote der Sumud-Flotilla. Zwischenfälle wurden bisher nicht bekannt. Die von den Besatzungen gewünschte Signalwirkung blieb aus. Versuche, den Zugverkehr durch Bahnhofsbesetzungen in verschiedenen europäischen Städten lahm zu legen, scheiterten an der geringen Zahl der Teilnehmer*innen solcher Aktionen. Der enorme finanzielle wie logistische Aufwand der Flotilla, mit ihrer Aktion eine weitere Eskalation der Proteste auszulösen, verpuffte vorerst. Doch die nächste Flotilla ist schon unterwegs. Begleitet wird sie von einer kategorischen Ablehnung von Verhandlungen. Angesichts der Bilder aus Gaza tritt der Zynismus dieser Unternehmung immer deutlicher zu Tage.