Hintergrund: Welche Bedeutung hat das Palästinensertuch?
Weltweit tragen Menschen die Kufiya, auch Palästinensertuch genannt, wieder häufiger. Es gilt als Symbol des „palästinensischen Widerstands“ und ist eng mit dem Terror gegen Juden verknüpft. Eine historische Einordnung.
Die Kufiya ist so politisch aufgeladen wie wohl schon lange nicht mehr. Seit dem 7. Oktober tragen weltweit pro-palästinensische Protestierende das sogenannte Palästinensertuch. Auch auf den Straßen, in der U-Bahn oder in Cafés sieht man Menschen, die das Tuch als modisches Accessoire tragen.
Die Geschichte der Kufiya begann als harmloses Tuch arabischer Feldarbeiter im Nahen Osten. Ursprünglich stammte sie aus der Region Kufa im Irak: Die Arbeiter wickelten sich das mit einem schwarzen Muster bestickte quadratische Tuch um den Kopf, um sich vor Sonne, Wind und Sand zu schützen.
Von den Briten 1921 als Großmufti von Jerusalem eingesetzt, wurde das Tuch unter Mohammed Amin al-Husseini dann politisch instrumentalisiert. Husseini stammte aus einer der einflussreichsten arabischen Familien Palästinas. Er, ein arabischer Nationalist, bewunderte Adolf Hitler. Die Kufiya setzte er als Erkennungszeichen für arabische Männer durch. So wurde sie zu einem Symbol von Männlichkeit.
Husseini, ein überzeugter Antisemit, rief zu Judenpogromen auf. Sein Ziel war es, Juden aus Palästina zu vertreiben. Unter seiner Führung trieben arabische Nationalisten dies mit zahlreichen Mordanschlägen voran. Sie wehrten sich zudem gegen die Mandatsmacht Großbritannien. In diesem Zusammenhang wurde die Kufiya zum Symbol der palästinensischen Zugehörigkeit und mit gewaltsamem Aufstand, aber auch mit Nationalismus verbunden.
In Europa wurde die Kufiya durch zwei Persönlichkeiten populär: Leila Khaled und Yassir Arafat. Leila Khaled war überzeugte sozialistische Revolutionärin und palästinensische Nationalistin. Sie schloss sich der Terrorgruppe „Volksfront zur Befreiung Palästinas“ an, besser bekannt unter der Abkürzung PFLP.
Khaled entführte am 29. August 1969 gemeinsam mit einem weiteren PFLP-Terroristen ein Flugzeug, das von Rom nach Tel Aviv unterwegs war. An Bord hätte Jitzhak Rabin sitzen sollen, der Botschafter Israels in Washington D.C. und ehemalige Generalstabschef der israelischen Armee während des Sechs-Tage-Kriegs 1967. Doch er hatte kurzfristig eine andere Verbindung gewählt.
Die Maschine landete in Damaskus, die Geiseln wurden in zwei Gruppen unterteilt. Die israelischen Geiseln wurden von den übrigen Passagieren getrennt. Letztere ließen die syrischen Behörden frei, die israelischen Geiseln tauschten sie später gegen Gefangene Israels aus.
Ein Bild, das Khaled in einer Kufiya und mit Kalaschnikow zeigte, ging später um die Welt. Ein weiteres Mal wurde das Palästinensertuch mit Widerstand - und antisemitischem Terror verbunden. Khaled wurde in der arabischen Welt und in propalästinensischen linken Kreisen zur Ikone.
Jassir Arafat, der verstorbene Anführer der „Palästinensischen Befreiungsorganisation“, kurz PLO, machte die Kufiya zu seinem Markenzeichen. International wurde das Tuch so zum Symbol des palästinensischen Befreiungskampfes und der palästinensischen Identität. Viele der Träger waren gewaltbereit und israelfeindlich eingestellt.
Ungefähr zur selben Zeit, Anfang der 1970er Jahre, wurde das Palästinensertuch auch unter westdeutschen Linken populär. Bei Protesten gegen Atommeiler oder Räumungen besetzter Häuser sah man es häufiger an den Protestierenden. Das Tuch erfüllte dabei einen praktischen Zweck: bei Bedarf konnte man sich damit vermummen.
Dass auch Rechtsextreme die Kufiya in der Vergangenheit getragen haben, ist kein Zufall. Sie teilen den Gedanken eines bewaffneten Kampfes gegen Juden und Israel, den manche Palästinenser mit dem Tragen des Tuchs verbinden. In der rechtsextremen Szene wird das Tuch außerdem dazu genutzt, um eine wichtige Botschaft zu transportieren: Judenhass.
Anfang der 2000er Jahre lebte das Tuch wieder auf: Modeketten brachten Kleidungsstücke im Kufiya-Muster heraus. Sogar der verstorbene Karl Lagerfeld entwarf 2015 eine elegante Jacke für Chanel mit Kufiya-Muster. Mit Gaza hatte das aber noch nichts zu tun.
Das änderte sich mit dem terroristischen Angriff der Hamas am 7. Oktober auf Israel und dem anschließenden Krieg in Gaza. Auf antiisraelischen Demonstrationen tragen Teilnehmer*innen seitdem die Kufiya, um damit ihre politischen Botschaften zu transportieren. So zum Beispiel die Klimaaktivistin Greta Thunberg, die sich seit Monaten an propalästinensischen und israelfeindichen Demonstrationen beteiligt.
Viele der Gruppen, die die antiisraelischen Proteste koordinieren, solidarisieren sich explizit mit allen Formen des Widerstands. Also auch mit dem bewaffneten Kampf und dem Terror der Hamas. In der Konsequenz wird die Kufiya also zum Teil auch als Sympathiebekundung mit der Terrororganisation Hamas und dem antisemitischen Angriff auf Israel verwendet. Sie ist wieder zum Symbol des „Widerstands“ aufgelebt – gegen Israel und Juden.