Verteidigung bestreitet versuchten Mord bei Angriff auf Synagoge

Die Verteidigung des Angeklagten hält ihren Schlussvortrag. Während sie die Taten an Kevin S. und Jana L. als Morde bewertet, negiert sie zahlreiche Mordversuche, darunter den Angriff auf die Synagoge, den “Kiez Döner” und die Schüsse in Wiedersdorf. Der Angeklagte äußert sich in seinem Schlusswort offen antisemitisch.

Am 9. Dezember 2020, dem 25. Verhandlungstag im Halle-Prozess, hielt die Verteidigung des Angeklagten ihren Schlussvortrag. Nach antisemitischen und strafbaren Aussagen im Schlusswort des Angeklagten beendete die Vorsitzende Richterin dieses nach wenigen Minuten.

Stets höflich sei sein Mandant ihm gegenüber aufgetreten, sagte Hans-Dieter Weber, einer von zwei Verteidigern des Angeklagten. Er habe zu Beginn des Verfahrens darauf hingewiesen, dass er seinen Mandanten in “keiner Weise reglementieren werde”. Dies sei wichtig gewesen, um die Schuldfähigkeit beurteilen zu können, sagte Weber. Die Vorsitzende Richterin Ursula Mertens hatte dem Angeklagten im Laufe des Verfahrens mehrfach das Wort entzogen und mit Ausschluss gedroht, da dieser immer wieder versuchte durch antisemitische und rassistische Aussagen zu provozieren.

Den Hinterbliebenen und Betroffenen sprach RA Weber sein Mitgefühl aus. Insbesondere die Aussagen des Vaters von Kevin S. hätten ihn sehr berührt, so Weber. Er “wünsche von Herzen, dass er dem Angeklagten verzeihen” könne und “inneren Frieden” finde.

Dem Mord an Jana L. und Kevin S. bedürfe es seinerseits “keiner Kommentierung” – der Tatbestand sei laut Weber erfüllt. Ebenso erfülle das Verbreiten des Videos der Tat den Tatbestand der Volksverhetzung. Der Angeklagte hatte im Livestream u. a. die Shoa geleugnet. Weber räumte weitere Anklagepunkten ein. Er bestritt aber, dass der Angeklagte sich des versuchten Mordes an Mandy R., Conrad R., Rıfat Tekin, İsmet Tekin, Aftax Ibrahim, Jens Z., Dagmar M. sowie an zwei Polizeibeamten schuldig gemacht habe, wie es Vertreter*innen der Nebenklage und in einigen Fällen der Generalbundesanwalt festgestellt hatten.

Auch wenn der Angeklagte an keinem Zeitpunkt bestritten habe, dass er in die Synagoge eindringen wollte, um Jüdinnen und Juden zu töten, sei der Anschlag auf die Synagoge laut Weber nicht als versuchter Mord zu werten. Der Angriff mit Schusswaffen auf die Tür und das Werfen von Sprengsätzen sei nicht als “unmittelbares Ansetzen zur Tat” zu bewerten, der Angeklagte habe freiwillig von seinem eigentlichen Plan Abstand genommen.

Die im psychiatrischen Gutachten erwähnte komplexe Persönlichkeitsstörung des Angeklagten verweise auf eine verminderte Schuldfähigkeit, so Weber. Das Leben seines Mandanten sei gezeichnet gewesen von Selbstisolation und der Unfähigkeit mit anderen Menschen Beziehungen aufzubauen. Nach gescheitertem Studium und Krankheit habe der Angeklagte schließlich aufgegeben und sich damit zufriedengegeben, bei seiner Mutter zu leben. Diese sei in “keiner Weise einer rechtsradikalen Gesinnung verdächtig”, sagte RA Weber. Die ehemalige Ethik-Lehrerin hatte nach dem Anschlag einen Abschiedsbrief mit antisemitischen Inhalten hinterlassen.

Im Darknet habe der Angeklagte Gleichgesinnte gefunden, so Weber. Dieser Gemeinschaft gegenüber habe er sich beweisen wollen und “aus Verblendung und Geltungssucht” gehandelt. Aufgrund seiner Isolation sei der Angeklagte in den “Rechtsextremismus abgedriftet”.

Thomas Rutkowski, der zweite Verteidiger des Angeklagten, schloss sich den Aussagen Webers an.

Zum Ende der Gerichtsverhandlung erhielt der Angeklagte zum letzten Mal das Wort. Während seiner Rede wiederholte er antisemitische und rassistische Narrative. Bereits nach drei Minuten entzog die Vorsitzende Richterin ihm das Wort, da er erneut die Shoa leugnete, was zu Zwischenrufen durch Zuschauer*innen und Vertreter*innen der Nebenklage führte. RA Alexander Hoffmann beantragte die Protokollierung der zuvor getätigten Aussagen des Angeklagten, da diese strafbare Handlungen seien. Nach kurzer Unterbrechung gab die Vorsitzende dem Antrag statt und erteilte dem Angeklagten erneut das letzte Wort, worauf dieser verzichtete.

Noch zu Beginn der Verhandlung ermahnte die Vorsitzende Richterin die Nebenklage. Da diese erst eine halbe Stunde vor Beginn erschienen sei, hätten Vertreter der Presse im Regen stehen müssen. Werde dies am Tag der Urteilsverkündung erneut passieren, so werde die Presse Vorrang bekommen. Das Urteil werde pünktlich am 21. Dezember verkündet, sagte die Vorsitzende zum Ende des Tages: “Wir werden nicht auf irgendjemand warten.”

Der Prozess wird voraussichtlich am 21. Dezember beendet.

Hauptverhandlung gegen Stephan B. vor dem Staatsschutzsenat des Oberlandesgericht Naumburg

25. Verhandlungstag (9. Dezember 2020)

CN: Das nachfolgende Protokoll enthält explizit gewaltverherrlichende, rassistische, antisemitische und menschenverachtende Aussagen und Ausdrücke.

Wir protokollieren die vollständige Hauptverhandlung gegen den mutmaßlichen Attentäter von Halle. Wir versuchen dabei, so nah wie möglich am Wortlaut der Verhandlung zu bleiben, direkte Zitate sind durch Anführungszeichen gekennzeichnet. Da es nicht zulässig ist, die Verhandlung mitzuschneiden, entsteht unser Protokoll auf Basis unserer Mitschriften aus dem Gericht. 

Einige Passagen haben wir bewusst gekürzt. So werden etwa Inhalte, die die Persönlichkeitsrechte von Prozessbeteiligten oder Dritten verletzen könnten, nicht veröffentlicht. Zudem streichen wir in der öffentlich zugänglichen Fassung des Protokolls jene Passagen, die Details der Tat und Tatplanung beinhalten und deren Veröffentlichung eine Gefahr, etwa durch Nachahmer, darstellen könnte. Die entsprechenden Abschnitte werden mit “[XXX]” gekennzeichnet. In begründeten Ausnahmefällen können etwa Wissenschaftler*innen oder Journalist*innen die gestrichenen Passagen bei uns anfragen. 

Nachnamen werden ggf. abgekürzt. An Stellen, an denen uns unser Protokoll nicht präzise genug war, etwa weil Wortbeiträge unverständlich vorgetragen wurden, haben wir Auslassungen auf die gängige Weise “[…]” angegeben.

Die Vorsitzende Richterin Ursula Mertens eröffnet die Sitzung um 10 Uhr. Sie stellt fest, dass alle Beteiligten anwesend seien, die vor der Unterbrechung anwesend gewesen seien. Für RAin Ilil Friedmann sei RA Benjamin Derin anwesend und für RA Sebastian Scharmer RA Peer Stoller. […] RA Andreas Schulz sei nicht da, aber Herr RA Markus Goldbach.

Man habe mit einer halben Stunde Verspätung begonnen, sagt die Vorsitzende. Die Einlasskontrolle habe ihr berichtet, dass ein großer Teil der Nebenklagebeistände erst um 9 Uhr gekommen sei. Das habe dazu geführt, dass Vertreter*innen der Presse gewartet und länger im Regen gestanden hätten. Sie denke, dass man es einrichten könne, dass man einigermaßen pünktlich komme. Das habe “was mit Respekt zu tun”; auch gegenüber RA Hans-Dieter Weber, der an diesem Tag seinen Schlussvortrag halten werde, so die Vorsitzende. Wenn dies am Tag der Urteilsverkündung so sei, würden Pressevertreter*innen Vorrang erhalten. […] Sie werde um 11 Uhr pünktlich und “keine Minute später” anfangen. Es sei ausreichend Zeit, um am Vormittag Platz zu nehmen, sagt Mertens. Dies werde auch schriftlich mitgeteilt werden. Die Vorsitzende erteilt dem Verteidiger des Angeklagten RA Weber das Wort. 

Schlussvortrag RA Hans-Dieter Weber

RA Weber sagt, seine Vorredner hätten betont, dass dies ein schwieriges Verfahren sei. Er sei von der Presse gefragt worden, ob sein Mandant [Stephan B., Anm. democ.] der bisher schwierigste Mandant für ihr sei. Dies habe er verneint, sagt der Verteidiger. Sein Mandant sei stets “höflich und freundlich” ihm gegenüber aufgetreten – obwohl RA Weber zu Beginn klargemacht habe, dass er die Gesinnung des Angeklagten nicht diskutieren werde. Er habe  im Umgang unangenehmere Mandanten in der Vergangenheit erlebt, so RA Weber. Das Strafverfahren sei für ihn das “vielleicht schwierigste Verfahren” in seiner beruflichen Laufbahn, weil die Taten, wie bereits Vertreter der Nebenklage sowie der Generalbundesanwalt (GBA) gesagt hätten, “in der Tradition nationalsozialistischer Verbrechen stehen” würden. RA Weber sagt, die Weltöffentlichkeit beobachte das Verfahren, “ob wir der historischen Verantwortung gerecht werden” würden. Die Generalbundesanwaltschaft sowie Nebenklagevertreter hätten bereits eine souveräne Verfahrensführung bescheinigt. Dem wolle er sich ausdrücklich anschließen, so der Verteidiger. Seinem Mandanten seien zu jedem Zeitpunkt die ihm zustehenden Rechte zur Verteidigung gewährt worden. […] Anfängliche Irritationen seien ausgeräumt worden. RA Weber sagt, er habe darauf hingewiesen, dass er seinen Mandanten “in keiner Weise reglementieren werde”. Es sei für die Beurteilung der Schuldfähigkeit wichtig, dass der Angeklagte “seine Psyche offen legen” könne. 

Die Nebenkläger hätten im Verlaufe des Verfahrens ausführlich die über die Folgen und besondere Bedeutung der Taten sprechen können, so RA Weber. Ihm sei die Aussage des Vaters von Kevin S. in Erinnerung geblieben. Dem Vater und allen Opfern und Angehörigen gebühre sein “tiefstes Mitgefühl”, sagt der Verteidiger des Angeklagten. Auch der Angeklagte habe sich durch die Aussage des Vaters “tief betroffen” gezeigt. RA Weber sagt, er wünsche dem Vater von Kevin S., dass er dem Angeklagten verzeihen und somit den “eigenen inneren Frieden” finden könne.

Im Zusammenhang mit der Synagoge sei ihm die Aussage der Nebenklägerin und Rebecca Blady in Erinnerung geblieben, so RA Weber. Rabbinerin Blady habe gesagt, dass der Angriff auf die Synagoge ein schweres Familientrauma wieder hervorgebracht habe. […] Sie habe geschildert wie sie als Nachkomme von Holocaust-Überlebenden den Angriff wahrgenommen habe, so RA Weber. Dies habe ihn tief beeindruckt. […] Er erkläre auch ihr ausdrücklich sein Mitgefühl.

Verteidiger RA Weber sagt, die Generalbundesanwaltschaft habe aber auch darauf hingewiesen, dass das Strafverfahren sich “nicht vom strafrechtlichen Inhalt entfernen” dürfe. Im Strafverfahren gehe es darum, die Schuld des Angeklagten auf der Grundlage des Strafgesetzbuches und der Strafprozessordnung festzustellen, so RA Weber. “Nicht die Ungeheuerlichkeit eines Vorgangs” führe zu einer Strafbarkeit, sondern die Feststellung der objektiven und subjektiven Tatmerkmale und der Schuldfähigkeit nach den Vorschriften des Strafgesetzbuches – das mache den Rechtsstaat aus, sagt Weber. […]

Das Verbreiten der Tatvideos und der Dokumente stelle Volksverhetzung gemäß § 130 StGB bzw. Holocaustleugnung § 130 StGB Absatz 3 dar, sagt RA Weber. Beides bedürfe “keiner Kommentierung seitens der Verteidigung”, so RA Weber.  

Der Angriff auf die Synagoge sei laut Anklageschrift und Plädoyer des Generalbundesanwalts als tateinheitlich versuchter Mord an 51 Besucher der Synagoge zu werten, sagt RA Weber. Zu keinem Zeitpunkt habe der Angeklagte bestritten, dass dieser in die Synagoge eindringen wollte, um Juden zu töten, so der Verteidiger. Der Angeklagte habe die Mordmerkmale nie bezweifelt, sondern bestätigt. “Glücklicherweise” habe der sein Vorhaben nicht umsetzen können, so RA Weber. Es stelle sich deshalb die Frage, ob er sich eines versuchten Mordes strafbar gemacht habe. Der Verteidiger sagt, es gehe hierbei um die Unterscheidung zwischen strafloser Vorbereitung und dem strafbaren Versuch. § 22 StGB laute: “Eine Straftat versucht, wer nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar ansetzt.” RA Weber sagt, dort mache das Gesetz deutlich, dass zwei Elemente vorliegen müssten – ein subjektives Element (Vorstellung) und ein objektives Element (unmittelbares Ansetzen). Mit der Formulierung “nach seiner Vorstellung” meine der Gesetzgeber, dass der Täter Vorsatz gehabt habe, den objektiven Tatbestand zu erfüllen. Das stehe hier außer Frage, sagt RA Weber. Versuchsstrafbarkeit liege aber nicht vor, nur weil der Täter den Tatbestand beabsichtige. Dies sei eine unzulässige Vorverlagerung der Versuchsstrafbarkeit, so der Verteidiger. Der Versuch setze objektiv voraus, dass der Täter nach seiner Vorstellung  unmittelbar zur Tatverwirklichung ansetze. […] Zunächst sei nach dem Tatplan zu fragen – wie habe der Täter sich die Umsetzung der Tat konkret vorgestellt, so RA Weber. So sei zu erkennen, wie die Tat im Einzelnen ablaufen solle. Dann sei zu prüfen, ob die Grenze zum Versuch überschritten sei. […]

RA Weber sagt, auf die Frage nach dem Plan B habe der Angeklagte geantwortet, keinen Plan B gehabt zu haben und alles sei spontan abgelaufen. Der Angeklagte habe außerdem erklärt die örtlichen Gegebenheiten der Synagoge nicht gekannt und nicht gewusst zu haben, ob Personen anwesend waren oder es sich um ein Denkmal gehandelt habe. Im Video sei der Angeklagte mit den Worten zu hören “Bitte lass die Tür offen sein”, so RA Weber. Dies zeige, dass der Angeklagte die Vorstellung gehabt habe, ungehindert durch eine offene Tür zur Synagoge zu gelangen. Dann hätte er unmittelbar zur Tat angesetzt und auf die erhofften und tatsächlich anwesenden Menschen geschossen. “Glücklicherweise” sei es “ganz anders gekommen”, sagt der Verteidiger. Der ursprüngliche Tatplan sei gescheitert, als der Angeklagte vor der verschlossenen Tür der Außenmauer gestanden habe. RA Weber sagt, das unmittelbare Ansetzen zur Tat und die Umsetzung des Tatplans sei für den Angeklagten nicht mehr möglich gewesen, da Tür und Tor verschlossen gewesen seien. Der Angeklagte habe nun überlegen müssen, wie er zur Synagoge gelangen könne. Es sei zu beachten, so RA Weber, dass die Synagoge nicht direkt neben der Außentür liege, sondern ca. 15 Meter bzw. 40–50 Meter vom Tor am Friedhof entfernt liege. […] Um in die Synagoge zu gelangen, hätte auch die Tür der Synagoge selbst geöffnet werden müssen. Die Entfernungen seien von außen für den Angeklagten erkennbar gewesen, ebenso dass die Synagoge nicht sofort mit dem Öffnen der Außentür zugänglich gewesen sei. Diese Entfernungen seien noch zu überwinden gewesen, so RA Weber. Die Aussage des Angeklagten, die örtlichen Gegebenheiten nicht genauer gekannt zu haben, sei durch die Beweisaufnahme nicht widerlegt worden. Der Verteidiger sagt, der Angeklagte habe keinesfalls davon ausgehen können nach dem Überwinden der Mauer, ohne Hindernisse zur Synagoge zu gelangen. Die Anklage sehe mit dem Angehen der Tür ein unmittelbares Ansetzen zur Tat, so RA Weber. In der Anklage hieße es mit Bezugnahme auf eine Definition des unmittelbaren Ansetzens durch den Bundesgerichtshof (BGH), dass es kein wesentlicher Zwischenschritt sei, der einem unmittelbaren Ansetzen entgegenstehen würde, wenn der Täter nicht direkten Zugang zum Tatort habe. Dies würde Anwendung finden, wenn der Plan des Angeklagten, durch eine offene Außentür zur Synagoge zu gelangen, geklappt hätte. Dem sei jedoch nicht so, so RA Weber. Er sagt, das in der Rechtssprechung verwendete “Jetzt geht es los” meine in der Argumentation der Bundesanwaltschaft und Nebenklage in diesem Fall  die Synagogentür. Die Rechtssprechung habe sich in sogenannten Auflauerungs- bzw. Annäherungsfällen mit der Abgrenzung des “unmittelbaren Ansetzens” befasst. […] Die Grenze zu diese sei noch nicht überschritten, wenn das Opfer etwa erst nach dem Klingeln an einem Gebäude heraustreten soll, um getötet zu werden. […] RA Weber sagt, er wolle das “Werfen der Granaten nicht als ‘Klopfen’ oder ‘Klingeln’ bezeichnen, sehe aber “kein unmittelbares Ansetzen zur Tat”.

Die Aussage des Angeklagten, dass dieser hinter der Mauer keine Stimmen gehört habe und somit sein “Handeln nicht auf das Töten von Menschen ausgerichtet war”, sei nicht widerlegt worden, so RA Weber. Die Beweisaufnahme habe ergeben, dass sich dort keine Menschen befunden hätten. 

Ein strafbarer Versuch sei laut BGH das Aufbrechen einer Tür, hinter der das Opfervermutet werde, sagt RA Weber und zitiert aus der Neuen Zeitschrift für Strafrecht (NStZ) 1987, S. 20: […]. Dies sei hier nicht zutreffend, sagt der Verteidiger und verweist auf die Entfernungen zwischen Tür und Synagoge sowie den “dem Täter völlig unbekannten Gegebenheiten”. Es liege mit dem Versuch, die Mauer zu überwinden keine Handlung vor, die unmittelbar zur Tat führen solle. […] Es fehle am unmittelbaren zeitlichen und räumlichen Zusammenhang. […]

RA Weber sagt, die Aussage des GBA, dass der Angeklagte “um Türesbreite am Vorhaben scheiterte” sei zutreffend, wenn der Angeklagte vor Synagogentür gestanden hätte. Dies sei aber an einem Umstand gescheitert, den der Plan des Angeklagten vorgesehen hatte. […] Die gewaltsame Öffnung der Tür sei durch den Angeklagten nicht vorgesehen gewesen. RA Weber sagt, mitgeführte Brandsätze des Angeklagten seien laut eigenen Angaben dafür vorgesehen, um “Räume klarzumachen” und zu desorientieren. Der Versuch die Tür aufzusprengen, sei ein spontaner Entschluss des Angeklagten gewesen.  

Dem Vorwurf der Nebenklage, dass es sich bei der Aussage des Angeklagten, keine Ortskenntnisse gehabt zu haben, um eine Schutzbehauptung handele, sei zu widersprechen, sagt RA Weber. […] Im Video habe sich der Angeklagte mehrfach als Loser bezeichnet und bei seinen Zuschauern für das in seinen Augen dilettantische Vorgehen entschuldigt. Der Angeklagte habe zu keinem Zeitpunkt versucht etwas zu beschönigen, so RA Weber. Seine menschenverachtende und rassistische Einstellung habe der Angeklagte klar und deutlich formuliert. Der Angeklagte habe zudem Bedauern geäußert, beim Versuch in die Synagoge einzudringen, um dort Menschen zu töten, gescheitert zu sein. RA Weber sagt, der Angeklagte hätte als Schutzbehauptung behaupten können, beim Versuch noch unentschlossen gewesen zu sein. Die Aussagen des Angeklagten vor Gericht seien “weit entfernt” von Schutzbehauptungen gewesen, so der Verteidiger. Auch die Generalbundesanwaltschaft habe im Haftbefehl den Angriff auf die Synagoge nicht als versuchten Mord bewertet. […]

Wenn man von einem unmittelbaren Ansetzen ausgehen wolle, so RA Weber, stelle sich die Frage, ob der Angeklagte strafbefreiend vom Versuch zurückgetreten sei. Die Generalbundesanwaltschaft gehe von einem fehlgeschlagenen Versuch aus. Laut RA Weber, läge dies vor, “wenn die Tat nach Misslingen des zunächst vorgestellten Tatablaufs mit den bereits eingesetzten oder anderen naheliegenden Mitteln objektiv nicht mehr vollendet werden kann und der Täter dies erkennt, oder wenn er subjektiv die Vollendung der Tat nicht mehr für möglich hält.” [Zitat BGH NStZ 2013, 156, Anm. democ.] Dabei komme es auf die Sicht des Täters nach der letzten Ausführungshandlung an. Objektiv hätten dem Angeklagten weitere Mittel zur Verfügung – u. a. hätte er das Auto als Ramme einsetzen können, um die Tür zu öffnen oder über die Mauer klettern können, so RA Weber. Der Angeklagte habe ausgesagt, den PKW nicht zum Öffnen der Tür genutzt zu haben, da dieser bepackt mit Sprengstoff gewesen sei und er habe vom Überklettern der Mauer Abstand genommen, weil er Gefahr gesehen habe, hinter der Mauer gefangen zu sein und somit an der Flucht gehindert zu werden. Da er weitere Munition und Sprengstoff mit sich führte, wären weitere Sprengversuche sowohl subjektiv als auch objektiv möglich gewesen und vermutlich letztendlich auch erfolgreich gewesen, sagt der Verteidiger des Angeklagten. Ein fehlgeschlagener Versuch liege deshalb nicht vor, sondern ein “unvollendeter Versuch, von dem der Angeklagte freiwillig abgelassen” habe. Der Angeklagte habe sich ein Zeitfenster gesetzt, in dem er unentdeckt bleiben könne. Von weiteren Spreng- bzw. Schussversuchen habe er abgesehen, um sich seine Flugmöglichkeit zu erhalten. RA Weber zitiert einen BGH-Beschluss vom 24.10.2017 – 1 StR 393/17: “Allein der Umstand der Entdeckung und die sich anschließende Flucht können die Annahme unfreiwilliger Tataufgabe jedoch nicht tragen.”

Hinsichtlich Jana L. habe der Angeklagte den Tatbestand des Mordes erfüllt, so RA Weber. Dies bedürfe keiner Kommentierung. 

In Bezug auf Mandy R. folge die Verteidigung nicht der Generalbundesanwaltschaft, die hier einen versuchten Mord sehe, sagt RA Weber. Die Auswertung des Tatvideos habe ergeben, dass die Waffe eine Störung gehabt habe und unklar sei, ob der Angeklagt abgedrückt oder nur auf R. gezielt habe. Die Störung könne vom Angeklagten nicht unbemerkt geblieben sein. […] “In dubio pro reo” könne nicht von einem unmittelbaren Ansetzen gemäß § 22 StGB ausgegangen werden, so der Verteidiger. […]

RA Weber sagt, hinsichtlich Stanislaw G. habe der Angeklagte den Tatbestand des versuchten Mordes erfüllt – dies bedürfe keiner Kommentierung. 

Der Anschlag auf den “Kiez Döner” stelle im Falle von Kevin S. einen vollendeten Mord und im Falle von Dr. Bernd H. und [weiterer Betroffener, Anm. democ] einen versuchten Mord dar. Dies bedürfe keiner weiteren Ausführungen, so RA Weber. 

Hinsichtlich Conrad R. und Rıfat Tekin sei laut Anklageschrift bereits mit dem Werfen [XXX, eines Sprengsatzes, Anm. democ.] zur Tötung angesetzt worden. RA Weber sagt, der Angeklagte habe mit Verweis auf die mangelnde Sprengkraft, eine Tötungsabsicht verneint. […] Die mangelnde Sprengkraft hätte auch eine Zeugin bestätigt, die eine leichte Verletzung am Fuß gehabt habe. Die erste Salve der Maschinenpistole habe nicht allen Anwesenden, sondern Kevin S. gegolten.

RA Weber sagt, dass der Tatbestand des versuchten Mordes hinsichtlich Malek B. und Abdülkadir B. erfüllt sei.

Bezüglich des Feuergefechts mit der Polizei, habe der Angeklagte erklärt, dass er das Fahrzeug zu früh gestoppt habe, so RA Weber. Die Einschätzung des Angeklagten, dass die eingesetzte Schrotflinte eine fehlende Feuerkraft gehabt habe, um die 70 Meter entfernten Polizeikräfte töten zu können, habe sich nicht bestätigt. Der Angeklagte habe angegeben, durch das Zünden einer Rauchbombe den Versuch unternommen zu haben, näher an die Polizeikräfte zu kommen. Fraglich sei, ob sich durch die fehlende Beherrschbarkeit der selbstgebauten Waffe ein bedingter Tötungsvorsatz angenommen werden könne, so RA Weber. […] Die Annahme des Angeklagten von einer mangelnden Reichweite ausgegangen zu sein, sei nicht widerlegt worden. […]

Laut Anklage habe sich der Angeklagte auf der Flucht durch vorsätzliche Gefährdung des Straßenverkehrs und fahrlässiger Körperverletzung zum Nachteil von Aftax Ibrahim strafbar gemacht. RA Weber sagt, eine versuchte Tötung liege hier nicht vor und er schließe sich der Generalbundesanwaltschaft an. […]

Vom Schuss auf Jens Z. sei ein großes Gefährdungspotential ausgegangen, sagt RA Weber. Es sei dem Angeklagten jedoch darum gegangen, die Schlüssel zum Auto zu erhalten. Das Gericht habe zu urteilen, ob hier ein Vorsatz angenommen werden könne. Entscheidend sei, dass der Angeklagte strafbefreiend zurückgetreten sei. Es sei ihm bewusst gewesen bzw. ihm möglich gewesen, noch einmal auf das Opfer zu schießen, was er nicht getan habe. Zeugin M. habe bestätigt, dass der Angeklagte sich über den Geschädigten Z. gebeugt und versichert habe, dass dieser sich allein bzw.  mithilfe von Frau M. in Sicherheit begeben könnte, so RA Weber. Es sei auch zu berücksichtigen, dass der Angeklagte selbst eine Schussverletzung am Hals hatte. Somit habe er aus eigener Erfahrung gewusst, dass diese Schussverletzung nicht lebensgefährlich sei. […] RA Weber sagt die Zeugen H. und [Daniel, Anm. democ.] W. hätten ausgesagt, dass der Angeklagte zu ihnen gesagt habe, dass er vorne bereits zwei Menschen erschossen habe. […] Zeuge H. habe ausgesagt, dass der Angeklagte mit der Hand auf das Nachbargrundstück gezeigt habe, was Zeuge W. nicht bestätigen konnte, so RA Weber. […] Der dritte Zeuge Christian W., der laut eigener Aussage die Schüsse nicht gehörte habe, habe angegeben, dass der Angeklagte ihm gegenüber gesagt habe, Menschen erschossen zu haben. Dies treffe auf Kevin S. und Jana L. zu, sagt RA Weber. […] Es bleibe deshalb bei gefährlicher Körperverletzung und versuchter räuberischer Erpressung.

In Bezug auf Frau [Dagmar, Anm. democ.] M. sei zu betonen, dass der Angeklagte bewusst auf die Beine gezielt und sie im Hüftbereich getroffen habe. Sein Ziel sei es nicht gewesen, sie zu töten, sondern sie am Rufen der Polizei zu hindern, sagt der Verteidiger. […] Laut RA Weber verbleibe es hier bei einer gefährlichen Körperverletzung. 

Das Erbeuten des Taxis stelle eine besonders schwere räuberische Erpressung dar, so Weber. 

RA Weber sagt, der Psychiater Professor Norbert Leygraf sei in seinem Gutachten zu dem Ergebnis gekommen, dass der Angeklagte eine komplexe Persönlichkeitsstörung mit schizoiden sowie paranoiden Anteilen habe und Züge einer Autismusspektrumstörung aufweise. Leygraf habe bestätigt, dass die Störung derart schwerwiegend sei, dass eine schwere andere seelische Abartigkeit im Sinne von § 20 StGB vorliege. […]

[…]

Zu verweisen sei auf BGH NStZ 1992 S. 380: demnach weise eine vom Sachverständigen befundene Persönlichkeitsstörung gemäß ICD-10 in der Regel auf verminderte Schuldfähigkeit, so RA Weber.

Das Leben des Angeklagten sei durch eine zunehmende Isolation geprägt gewesen. In der Grundschule sei der Angeklagte bereits ein Einzelgänger gewesen, sagt RA Weber. Mit zunehmendem Alter habe die Selbstisolation zugenommen. […] Die Beweisaufnahme habe ergeben, dass er in seiner Bundeswehrzeit bei Kameraden in der Hierarchie “ganz unten angesiedelt” gewesen sei. Während des Studiums habe er fachliche Probleme gehabt und habe keine Freundschaften aufbauen können, so der Verteidiger. Der Angeklagte könne keinen einzigen Freund benennen. Kurzzeitig sei die Schwester des Angeklagten bemüht gewesen, ihn in ihren Freundeskreis aufzunehmen, was gescheitert sei. 

Mitarbeiter der JVA Halle hätten ausgesagt, so RA Weber, dass der Angeklagte “beispiellos” und ohne jegliche Beschwerden auf die Inhaftierung reagiere. Das Gericht möge sich fragen, ob ein “vergleichbarer Fall ohne krankhafter Befunde” bekannt sei, sagt RA Weber. Eine “ernstzunehmende aber überwindbare Krankheit” habe den Angeklagten aufgeben lassen. Dann habe der Angeklagte sich damit genügt, bei der Mutter zu leben und von ihr abhängig zu sein. […] Verantwortlich für das Scheitern ihres Sohnes sei die Mutter nicht, so RA Weber.  Daran ändere auch der Brief der Mutter nichts, der “in einem Zustand tiefster Verstörung” verfasst worden sei. RA Weber sagt, die Beweisaufnahme habe ergeben, dass die Mutter in “keiner Weise einer rechtsradikalen Gesinnung verdächtig” sei.

Der ehemalige Partner der Schwester des Angeklagten habe einen Einblick in das Familienleben geben können. Dieses sei “unauffällig” gewesen; der Angeklagte habe keine Zustimmung für seine Ansichten erhalten, so RA Weber. Der Angeklagte habe ausgesagt, dass er Diskussionen in der Familie vermieden habe. […] Dies passe zu den Erfahrungen der Verteidigung und zum Auftreten des Angeklagten im Gerichtssaal. Sobald das Gericht dem Angeklagten untersagt habe, “entsprechend seiner Gesinnung zu agitieren,” habe er sich daran gehalten. Dies sei nicht selbstverständlich, so der Verteidiger.

Der Angeklagte sei zunehmend ins Internet – insbesondere ins Darknet – abgetaucht, sagt RA Weber. Dort sei er auf Verschwörungstheorien gestoßen und habe einen scheinbaren Ausweg gefunden, da er dort Gleichgesinnte getroffen habe. Wie sehr dies seine Psyche geprägt habe, so RA Weber, zeige die Antwort des Angeklagten auf die Frage, ob er die Tat begangen habe, wenn er Frau oder Kind gehabt hätte: “eher nicht”, habe der Angeklagte geantwortet.

Die Nebenklage habe durch zwei Sachverständige die Vernetzung von rechtsradikalen und antisemitischer Gruppierungen aufgezeigt, dass der Angeklagte strafrechtlich ein Einzeltäter sei, aber eine Gemeinschaft ihn trage. Zustimmung und Erfolgserlebnisse seien dem Angeklagten verwehrt geblieben, sagt RA Weber, und hätten zu völliger sozialer Isolation geführt. Durch Internet-Kontakte habe der Angeklagte Zustimmung und sozialen Austausch erhalten, so RA Weber. Aus Verblendung und Geltungssucht (sich in der Gemeinschaft im Internet zu bewähren) habe der Angeklagte die Taten begangen.

Der Sachverständige attestiere dem Angeklagten eine andere schwere seelische Abartigkeit. Die Einschätzung des Sachverständigen, dass der Angeklagte schuldfähig sei, stehe im Widerspruch zur Rechtsprechung. Es sei einzig und allein Aufgabe des Gerichts über die Schuldfähigkeit des Angeklagten zu urteilen, sagt RA Weber. 

Der Fall Anders Breivik zeige, wie unterschiedlich diese Prüfung ausfallen könne. Dieser habe mit einer Explosion und dann in einem Zeltlager Menschen getötet. Im Strafprozess habe sich die Frage der Schuldfähigkeit des Täters gestellt, so RA Weber. Ein Gutachten habe u. a. aufgrund extremer politischer Aussagen eine paranoide Schizophrenie des Täters festgestellt. Das norwegische Recht gehe hier von Schuldunfähigkeit aus. RA Weber sagt, in einem zweiten Gutachten sei diese Sicht widerlegt und eine narzisstische Persönlichkeitsstörung festgestellt worden. […] Professor Leygraf habe sich auch mit der Frage auseinandergesetzt, ob die Überzeugungen des Angeklagten derart übersteigert seien, dass sie die Grenze zum Wahnhaften überschreiten würden, so der Verteidiger. Beim Angeklagten habe er dies nicht feststellen können. Durch die Feststellung des Sachverständigen einer anderen seelischen Abartigkeit im Sinne von § 20 StGB sei “zumindest verminderte Schuldfähigkeit indiziert,” sagt RA Weber. […]

Einen Antrag zur Strafhöhe und Schwere der Schuld stelle die Verteidigung nicht, so Weber. Dies könne nur ein “gerechtes Urteil” bewerten. […] RA Weber sagt, die Sicherungsverwahrung sei häufig Gegenstand von Strafverteidigersymposien gewesen und sei dort auf große Ablehnung gestoßen. Deswegen verwundere es ihn, dass viele Vertreter der Nebenklage den Antrag der GBA unterstützen würden. Die Diskussionsrunden würden häufig von Herrn Leipold aus München  geführt werden. […]

Aufgrund fehlender Verurteilungen des Angeklagten komme nur § 66 Absatz 2 StGB infrage. […]

Der Angeklagte habe sich mit seinen Taten und seinem Aussageverhalten “bemüht Argumente für eine Sicherungsverwahrung zu liefern,” so RA Weber. Das Gericht möge aber berücksichtigen, dass der Angeklagte aus einer “völligen sozialen Isolation heraus” in den Rechtsextremismus abgedriftet sei. Das Gericht möge auch das junge Alter des Angeklagten und die Auswirkungen einer langjährigen Haftstrafe sowie die Haltungsänderung im Verlaufe des Lebens berücksichtigen. […]

RA Weber bedankt sich zum Ende seines Schlussvortrages um 10:42 Uhr. Die Vorsitzende bedankt sich bei RA Weber und verkündet eine Pause bis 11 Uhr. 

Die Vorsitzende setzt die Verhandlung um 11:03 Uhr fort und erteilt Verteidiger RA Rutkowski das Wort. Dieser verzichtet auf seinen Schlussvortrag. 

Schlusswort Stephan B.

Die Vorsitzende sagt zu Herrn B., er habe jetzt das Recht auf das letzte Wort. 

Stephan B. sagt, das Verfahren sei mehrmals mit den Nürnberger-Prozessen verglichen worden. Dem würde er zustimmen. Auch heute würde es sich um einen “reinen politischen Schauprozess” handeln, der eine “Machtdemonstration der herrschenden Eliten” sei. Das Ergebnis würde auch bei diesem Prozess schon vorher feststehen. B. sagt, das Urteil werde “lebenslänglich mit Feststellung der besonderen Schwere der Schuld und anschließender Sicherheitsverwahrung [sic]” sein. Dies werde ihn jedoch nicht vom “rechten Pfad abbringen. Er werde weiter für “Herkunft und Rasse, gegen die jüdisch globalistische neue Weltordnung” kämpfen. Man müsse  sich mit aller Kraft gegen den “multikulturellen Weltstaat” stemmen, um die “damit einhergehende Versklavung aufzuhalten”, sagt der Angeklagte. Dies werde jeden Tag deutlich und man würde dies fast überall sehen. Wenn man auf diese Entwicklung hinweise, so würde man als “Verschwörungstheoretiker” bzw. “Verschwörungsmystiker” verachtet werden. Den Begriff “Verschwörungsmystiker” hätte es zum Zeitpunkt seiner Festnahme noch nicht gegeben. Verantwortlich sei “ihre Propaganda”, so B. Nach dem Bürgerkrieg werde man sehen, wer Recht behalte. Nachdem “die Formalitäten geklärt” seien, wolle er “zum Abschluss” über zwei Punkte sprechen, die ihm am Herzen lägen.

Zum einen sei er durch Anwälte der Nebenklage persönlich angegriffen worden. Dies würde er gerne erwidern, doch habe er es “ausschließlich mit Juden und Gesinnungsjuden zu tun”. Das sei “schade”, sagt der Angeklagte.

Zum anderen sei nichts “komplett sinnlos” und so habe auch dieser Gerichtsprozess zu einem “Erkenntnisgewinn” geführt. Er könne nun mit “gutem Recht behaupten”, dass “die einzige gute Sache, die die Juden je erfunden” hätten, so der Angeklagte, “der Holocaust” sei. Deutschland habe “für 6 Millionen tote Juden gezahlt”. Vertreter*innen der Nebenklage unterbrechen den Angeklagten lautstark. Eine RAin ruft: “Stoppen Sie das!”. Der Angeklagte spricht weiter und sagt, das man wolle “endlich geliefert bekommen – mit Zinseszins und Inflationsausgleich”. […] Eine RAin ruft erneut dazwischen und fordert dazu auf, das gesagt zu protokollieren. RA Hoffmann sagt, die Aussage des Angeklagten sei eine Straftat. 

Die Vorsitzende sagt zu B., dass Holocaustleugnung eine Straftat sei. Sie es ihm bereits erklärt. […] Er müsse dies im Schlussvortrag nicht wiederholen, so Mertens. Das wäre alles, sagt der Angeklagte. 

Die Vorsitzende erteilt RA Hoffmann das Wort. RA Hoffmann sagt, er beantrage zu protokollieren, was der Angeklagte gesagt habe. Er werde es nicht mündlich wiederholen, könne dies aber schriftlich weitergeben. Es halte sich um eine strafbare Handlung und müsste protokolliert werden. 

Die Vorsitzende erteilt Oberstaatsanwalt Stefan Schmidt das Wort. [… unverständlich, Anm. democ.]

Die Vorsitzende erteilt Verteidiger RA Weber das Wort. [… unverständlich, Anm. democ.]

Die Vorsitzende unterbricht die Verhandlung für 20 Minuten. 

Um 11:34 Uhr wird die Sitzung durch fortgesetzt. Die Vorsitzende stellt fest, dass alle Beteiligten anwesend seien. Sie sagt, es sei zu Protokoll gegeben worden, dass der Angeklagte in seinem Schlusswort gesagt habe, dass “die einzige gute Erfindung die, die Juden erfunden haben,” der Holocaust gewesen sei. Die Vorsitzende sagt zum Angeklagten, dass sie ihm nochmal die Möglichkeit zum letzten Wort geben werde und er die Möglichkeit habe, sich zur Protokollierung zu äußern. Stephan B. sagt, er habe alles gesagt. Die Vorsitzende fragt die Verteidiger RA Weber und RA Rutkowski, ob diese etwas sagen möchten, was beide verneinen. Die Vorsitzende erteilt dem Angeklagten erneut das letzte Wort. B. sagt, er habe alles gesagt. 

Die Vorsitzende beendet den Verhandlungstag und sagt, dass am 21. Dezember um 11 Uhr die Urteilsverkündung stattfinden werde. Man werde pünktlich anfangen und “nicht auf irgendjemanden warten.”

Veröffentlicht am 21. Dezember 2020.

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