QuerdenkenNarrenfreiheit für Corona-Leugner: Polizei lässt verbotene Demo durch Kassel ziehen

Mindestens 20.000 Menschen beteiligten sich am 20.03.2021 an einer unerlaubten Corona-Demonstration in Kassel.

Die Polizei war nicht in der Lage oder nicht willens, das gerichtlich erlassene Verbot der Versammlung durchzusetzen. Offiziell war der Aufruf nicht von „Querdenken“, sondern den „Freien Bürgern für Kassel“ getragen worden. Dennoch hatten viele relevante Protagonisten der Querdenken-Bewegung und weitere bekannte Corona-Leugner schon seit Wochen zu der Großdemonstration „in der Mitte Deutschlands“ aufgerufen. Die Stadt hatte zunächst alle Demonstrationen an diesem Tag unter Verweis auf den Infektionsschutz untersagt, das Verbot wurde jedoch vom Verwaltungsgericht aufgehoben. In der höheren Instanz erging am Verwaltungsgerichtshof schließlich die Entscheidung, dass zwei stationäre Kundgebungen abseits der Innenstadt mit insgesamt 6.000 Personen erlaubt seien – allerdings mit der Auflage, dass Abstände eingehalten werden und die Teilnehmenden einen Mund-Nasen-Schutz tragen. Der geplante Aufzug über den Innenstadtring wurde hingegen verboten. Die Veranstalter*innen hatten daraufhin bekannt gegeben, weitere Rechtsmittel einlegen zu wollen und dazu aufgerufen, sich in der Innenstadt von Kassel zu versammeln, um „shoppen“ zu gehen: In Richtung der Corona-Leugner*innen war dies eine klare Aufforderung, sich über das Verbot hinwegzusetzen. Und so sammelten sich ab dem Vormittag immer mehr Menschen rund um das Kasseler Staatstheater. An der Demonstration beteiligten sich wie schon bei früheren Querdenken-Protesten Personen aus den unterschiedlichsten politischen Milieus, darunter auch Rechtsextreme. Insgesamt war die Beteiligung (offen) rechtsextremer Gruppen aber geringer als etwa im November in Leipzig oder im August in Berlin. Dennoch wurden auch auf der Demo in Kassel NS-relativierende Plakate gezeigt, Journalist*innen und Gegendemonstrant*innen angepöbelt und bespuckt und selbst Passant*innen aggressiv dazu aufgefordert, ihre Maske abzulegen. Die Polizei hatte im Vorfeld angekündigt, sich auf einen größeren Einsatz vorzubereiten und „gerichtlich bestehende Versammlungsverbote durchzusetzen“. Davon war am Samstag aber wenig zu sehen. Über Stunden ließen die Einsatzkräfte, die über weite Strecken des Aufzuges gar nicht erst präsent waren, die Demonstrant*innen gewähren. Zehntausende Menschen liefen mehrfach ohne Abstand und Masken über den Innenstadtring. Die Teilnehmenden dankten es der Polizei mit Applaus, Lobeshymnen und Blumen. Nachdem eine Woche zuvor in Dresden bei einer unerlaubten Corona-Demonstration Polizeiketten überrannt und mehrere Polizeibeamt*innen verletzt worden waren, hieß es vielfach, dass sich diese Szenen in Kassel nicht wiederholen dürften. In der Tat wird das nordhessische Polizeipräsidium wohl einen insgesamt friedlicheren Einsatz bilanzieren können – allerdings nur, weil die Polizei ihr selbst erklärtes Ziel, Versammlungsverbote durchzusetzen, nicht ernsthaft in Angriff nahm. Abgesehen von einem Vorfall an der Fuldabrücke, bei dem die Polizei Wasserwerfer und Pfefferspray eingesetzte, weil Protestierende versucht hatten, eine Polizeiabsperrung zu überwinden, genossen die „Querdenker“ in Kassel absolute Narrenfreiheit.

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